„Der aggressive Frauenhasser“ – Finch Asozial über Image, AfD und Mama

Interviews

Finch Asozial ist auf kleinen Battle-Rap-Bühnen groß geworden. Er provoziert, überschreitet Grenzen und eckt an. Mit seinem Album „Dorfdisko“ und Songs wie „Abfahrt“ oder „Fick mich Finch“ schaffte er deutschlandweit den Durchbruch – jetzt steht sein neues Album in den Startlöchern. 

Ich bin mit ihm in einem Neuköllner Café verabredet und erkenne ihn schon von Weitem. Kein Wunder, er ist nicht zu übersehen: Finch ist fast zwei Meter groß, hat einen rotblonden Vokuhila und trägt einen grellen Jogginganzug. Als wir uns setzen, bietet er mir freundlich eine Kippe an. Ich lehne freundlich ab.

watson: Du kommst aus Fürstenwalde in Brandenburg, wohnst aber schon länger in Berlin. Fühlst du dich mittlerweile als Berliner?
Finch Asozial: Ich bin zu 100 Prozent Brandenburger. Obwohl ich mich in meinem Bezirk Lichtenberg wohlfühle, würde ich mich niemals als Berliner bezeichnen, ich wohne hier nur.

Immerhin bist du auch sowas wie das Aushängeschild Brandenburgs – zumindest, was Hip-Hop angeht.
Ja, es gibt sonst fast keine Musiker aus meiner Heimat. Einfach, weil es allen peinlich ist, aus Brandenburg zu kommen.

Wenn man sich die diesjährigen Wahlergebnisse anguckt, kann man schon verstehen, dass viele Künstler nicht mit Brandenburg in Verbindung gebracht werden wollen, oder?
Ja, das nervt. Kurz vor den Wahlen gucken alle mit dem erhobenen Zeigefinger auf Brandenburg, machen irgendwelche Aufrufe gegen Rechts und die AfD. Versteh mich nicht falsch, die Einstellung ist absolut richtig – aber diesen Einsatz braucht Brandenburg das ganze Jahr. Es reicht nicht, nur eine Woche vor der Wahl mit den Leuten zu reden und dann Brandenburg wieder den Rücken zu kehren. Das ist zu einfach.

Was meinst du damit?
Brandenburg ist viel mehr als die AfD. Es gibt auch korrekte, bunt durchgemischte Leute dort. Das merkt man aber erst, wenn man mit den Menschen spricht und selber vor Ort ist. Nicht, wenn man nur düstere Ost-Dokus vor den Wahlen guckt. Deswegen finde ich es auch wichtig, mich als Brandenburger hinzustellen, Musik zu machen, die provoziert und aneckt und mit meiner multikulturellen Crew mal eine andere Facette zu zeigen – ohne aber einen plakativ politischen Song vor den Wahlen rauszuhauen.

Dir wird häufiger mal vorgeworfen, dass du ein Frauenfeind bist.
Na ja, wenn man mit King Orgasmus abhängt, muss man sich darüber nicht wundern. Nein, ernsthaft – jeder, der sich ein bisschen mehr mit meinen Werken, meinen Interviews und meinem Social-Media-Auftritt beschäftigt, merkt, dass das Quatsch ist. Oder?

Nun ja, als ich heute von unserem Interview erzählt habe, habe ich besorgte Blicke von Freunden bekommen.
Ja, klar, alle denken: „Oh, Finch, der aggressive Frauenhasser – der ist bestimmt voll auf Drogen, rotzt dir in die Fresse und haut dich danach.“

So ungefähr. Leidest du manchmal unter diesem Image?
Nein, das ist doch das Geilste, was es gibt – ich will auf keinen Fall „Everybody’s Darling“ sein, da ist mir das Image vom Asi-Spacken bedeutend lieber. Außerdem hält mir das die Leute vom Hals, die nichts von Rap verstehen und einfach nur oberflächlich sind. Mit denen will ich sowieso nichts zu tun haben.

Verschwimmt deine Privatperson manchmal mit der Kunstfigur „Finch Asozial“? 
Mittlerweile sehr stark. Früher konnte ich das noch besser auseinanderhalten – das ist vorbei, seit Musik nicht mehr mein Hobby, sondern mein Beruf geworden ist. Den Vokuhila kann ich ja auch nicht einfach absetzen.

Finch macht plötzlich eine Pause – eine hübsche Frau läuft an uns vorbei – er guckt ihr erst grinsend nach, dann mich entschuldigend an und sagt: „Sorry, ich bin ja auch nur ein Mann.“

Ist deine Mutter manchmal genervt von deinem Auftreten? 
Nö, meine Mutter ist locker. Mit ihr kann ich auch durch die Straßen gehen und sagen: „Guck mal, die Alte, die will ich knallen.“ Sie kennt mich nicht anders, wir haben ein super Verhältnis. Außerdem weiß sie, dass ich professionell sein kann und den Boden unter den Füßen nicht verliere – es gibt keinen Grund für sie zur Sorge.

Hast du schon mal einen Korb von einer Frau bekommen, nachdem du ihr erzählt hast, was du beruflich machst?
Ja, auf jeden Fall. Es ist cool, wie mein Leben läuft, aber ganz ehrlich: Ich werde nächstes Jahr 30 und denke auch an Familieund Kinder. Allerdings bin ich eben Finch Asozial – es gibt wenige Leute, die darüber hinwegsehen können. Im positiven als auch im negativen Sinne: Entweder wollen sie was von dem Hype oder sind irgendwie davon abgeschreckt – das ist richtig schade.

Zweifelst du manchmal an dir? 
Ich bin ein krasser Pessimist und zweifle dementsprechend oft. Deswegen habe ich auch immer einen Plan B, zum Beispiel mein abgeschlossenes Studium. Mir ist es unglaublich wichtig, nicht alles auf eine Karte zu setzen – mein Leben verläuft im Moment so schnell und intensiv, dass ich kaum hinterherkomme. Ich verdiene richtig gutes Geld mit dem, was ich liebe, muss mich dafür nicht verstellen und kann rumlaufen wie der letzte Penner. Ein Traum – aber mir ist bewusst, dass das auch schnell wieder vorbei sein kann.

Du bringst dein neues Album „Finchis Love Tape“ am Valentinstag (14.02.2020) raus – das klingt ausnahmsweise eher romantisch als asozial. 
Das Album wird krass, sehr vielfältig und persönlich. Ich habe so viele Geschichten zu erzählen, so viele Charaktere auszuleben und Ideen umzusetzen. Um Liebe geht es dabei nicht auf die weichgespülte, schmierige Art – es geht auch um die Liebe zu Drogen, zum Fremdgehen und zu kranken Intrigen. Kuschelig wird es nicht.